100% Strom-Autark, Insel-Photovoltaikanlage planen und das Pareto Prinzip
Komplette 100% Autarkie mit einer Insel-Photovoltaikanlage erreichen ist machbar, verlangt aber das Wissen über die verschiedene Stellschrauben. Das erläutere ich hier ganz genau.
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Schauen wir uns als erstes das Pareto-Prinzip an. Falls du es bereits kennst, kannst du diesen Schritt überspringen. Es ist aber hervorragend passend, um die Schwierigkeit von 100% Autarkie zu verstehen.
Das Pareto Prinzip
Machen wir es kurz. Für 80% des Ergebnisses sind 20% Leistung erforderlich. Um die restlichen 20% des Ergebnisses auch noch zu erreichen, sind 80% Leistung erforderlich. So zumindest die Theorie.Das Pareto Prinzip zeigt, dass mit wenig Aufwand bereits viel erreicht werden kann. Die vielen Details um alles zu erreichen, kosten Zeit/Aufwand/Leistung. Im Grunde ist dieses Prinzip auf alle anderen Lebensbereiche anwendbar. Um etwas perfekt zu haben, braucht es enorm viel deiner Kapazität.
Beziehen wir das auf Inselanlagen, so werden wir wohl mit kleinem Speicher und kleiner Photovoltaikanlage einen guten Teil des Strombedarfs über das Jahr decken können. In der dunklen Jahreszeit November, Dezember und Januar, benötigen wir aber ein vielfaches mehr an Speicher und vor allem PV-Modulen. Dazu kommen weitere Probleme: Die Sonne steht tiefer und scheint kürzer. Obendrein könnte vermutlich noch Schnee hinzu kommen.
Du siehst also, dass wir mit einer kleinen PV-Anlage viel Strom daraus verbrauchen können. Die 100% Autarkie aber mit vielen Problemen einhergeht, die bewältigt werden müssen. Ob du das noch willst oder überhaupt kannst, wirst du ganz bestimmt am Ende dieses Artikels für dich entscheiden können.
Vorwort: Insel oder Einspeisung
Bevor wir beginnen, ist die Entscheidung Inselanlage oder Einspeiseanlage eines der wohl wichtigsten Kriterien. Die Auslegung der ganzen Anlage ist davon abhängig.Einspeiseanlagen haben das Ziel möglichst viel in das öffentliche Stromnetz einzuspeisen und damit Geld zu verdienen. Durch den Rückkauf des Stroms gibt es eine bilanzielle Autarkie.
Bei Inselanlagen kommt es nicht primär auf die Jahresbilanz an, sondern zu welcher Zeit wieviel Strom zur Verfügung steht. Hier gibt es keine bilanzielle Autarkie, sondern eine reale Autarkie.
Die bessere Mischung bringen Hybrid-Anlagen. Das kann entweder eine Nulleinspeiseanlage sein, die nicht ins Netz einspeist aber das vorhandene Stromnetz nutzt (anmeldepflichtig!) oder mit einem Batterielader, der nur aus dem öffentlichen Netz beziehen kann und als Verbraucher anzusehen ist.
Beginnen wir jedoch mit den wichtigsten Komponenten und Grundgedanken der Anlage.
Ein flaches Modul bringt über die vielen Sonnenstunden im Sommer hervorragend viel Strom. Im Winter hingegen steht die Sonne tief und ggf. liegt Schnee darauf. Da nützt die größte Anlage nicht viel.
Hinweis:
Statistisch sammelt eine 1kWp (1000 Watt Peak) PV-Anlage über das Jahr rund 1000 kWh. Je nach Breitengrad, Verschattung, Umwelt- und Natureinflüsse, variiert das etwas. Im nördlichen Deutschland bei Hamburg sind es zwischen 800 bis 850 kWh pro kWp. Hingegen in München ca. 1050 kWh pro kWp gesammelt werden kann.
Das sind Werte über das gesamte Jahr und der Sommer ist hier der überdurchschnittliche Faktor. Allem voran durch die Sonnenstunden.
Für Inselanlagen gibt es noch den limitierenden Faktor der Batteriegröße, die zum erreichen einer hohen Autarkie absolut notwendig ist. Auch an die Batterie ist die maximale Ausspeiseleistung (Wechselrichter) gekoppelt. Eine kleine Batterie kann eben auch nur einen kleinen Strom abgeben.
Wichtig: In diesem Beitrag geht es ausschließlich um Inselanlagen!
Ausrichtung, Winkel und Höhe der Photovoltaik-Module
Die Leistung der Photovoltaikmodule entscheidet alles. Es ist der Generator deiner Autarkie. Durch direkten Stromverbrauch mindert es die Umwandlungsverluste durch Speicherung. Fangen wir mit dem schwierigsten Thema überhaupt an.
© S.Wetzel (Lizenz: CC BY-SA 4.0)
Sonnenstand und Sonnenverlauf (Sommer bis Winter) 49 Grad NordDer Sonnenverlauf und Sonnenstand zu unterschiedlichen Zeiten des Jahres. Bild-Autor ist S. Wetzel. Weitergabe unter gleichen Bedingungen. Lizenz: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de
Bauwerke wie Stonehenge zeigen die Tag- und Nachtgleiche. Auch bei den Pyramiden von Gizeh wurden diese wichtigen beiden Jahresereignisse in Stein gemeiselt.
Es zeigt die beiden Tage, wo Tag und Nacht gleich lang sind. Genau zwischen den beiden Tagen liegt zum einen der längste Tag mit kürzester Nacht (Sommersonnenwende), zum Anderen der kürzeste Tag mit der längsten Nacht (Wintersonnenwende).
Auf letzteres sollten wir uns konzentrieren, um den schwierigsten Zeitraum der Autarkie zu decken. Ist das geschafft, sollte das restliche Jahr kein Problem darstellen.
Modul-Himmelsausrichtung
In welche Himmelsrichtung deine Anlage möglichst ausgerichtet werden sollte, zeigt dir die nachfolgende Tabelle.
Da im Winter die Sonne nur kurz über den südlichen Horizont scheint, ist jede Abweichung der Idealen mit mehr Photovoltaik-Zubau verbunden.
© Marcus Rönz (Photovoltaik-Guru.de)
PV Modul Winkel und Ausrichtung: Diagramm Ertrag in ProzentDie Tabelle gibt einen Jahresüberblick als durchschnittlichen Ertrag je nach Ausrichtung und Modulwinkel. Eine flachere Ausrichtung ist vor allem im Sommer gut, gegenüber eine steileren im Winter. Flacher liegende Module sind jedoch effizienter durch den Tagesverlauf der Sonne.
Modul-Winkel
Während im Sommer die Sonne sehr hoch steht und flach angebrachte Module hier enorm viel Ertrag bringen, ist im Winter das Gegenteil der Fall. Das stimmt jedoch nur halb.
Im Winter ist ein steiler Modulwinkel bei Sonne hervorragend (resp. Fassadenmodule). Die Diffuslichtfähigkeit von Photovoltaikmodulen, die sich in den letzten Jahren stark verbessert hat, zeigt die Tendenz, dass Ausrichtung und Winkel nicht mehr essentiell zum Ertrag von Wichtigkeit ist.
Nehmen wir den Winter, kommt es hier vor allem auf die Sonnenstunden an. Für die restliche Zeit wo überwiegend Wolken sind, benötigen wir die Himmelshelligkeit als Energiequelle. Dabei ist eine flache Anlage wieder im Vorteil. Wichtig ist der Prozentsatz von Sonne und Wolken. Um hier ein ideales Maß zu finden, sollte der Modulwinkel nicht zu steil sein. Um die 50° scheint hierbei ein guter Wert.
Ich bin der Meinung, dass wie im Finanzbereich das Risiko gestreut werden sollte. Das heißt für den Winkel und Ausrichtung von Solarmodulen ein "sowohl als auch". Es scheint hier also keinen Königsweg zu geben.
Modul-Höhe
Bei Beratung und Beiträgen von Photovoltaikunternehmen wird oft ein Faktor nicht genannt. Die Modul-Höhe. Also in welcher Höhe das PV-Modul überhaupt seinen festen Platz findet. Nicht alle PV-Anlagen sind auf einem Hausdach angebracht. Das sollten sie aber, wenn es der beste Platz zum Strom sammeln ist.
Im Winter nützt ein niedrig verbautes Modul nichts, wenn die Laufschatten durch Häuser und Bäume zahlreich vorhanden sind.
Das kann jeder selbst ganz einfach zu jeder Jahreszeit überprüfen: Schaue dir Sonnenauf- und Untergang an. Betrachte dein Haus oder die Häuser in deiner Umgebung und achte auf den Schatten. Und genau dort sollten keine Photovoltaikmodule aufgestellt oder angebracht werden.
Stromspeicher: Batterie in ausreichender Dimension
Neben den Photovoltaik-Modulen ist der zweitwichtigste Punkt für eine mögliche 100% Autarkie der Speicher. Dieser gleicht zum einen Schwankungen der PV-Module aus. Zum anderen speichert er den überflüssig produzierten Strom, um diesen dann zur Verfügung zu stellen, wenn keine Sonne scheint oder die Leistung der Module nicht ausreicht.
Die meisten Speicher werden für den Stromkonsum über Nacht ausgelegt. Das ist die kostengünstigste Möglichkeit einen Speicher auch finanziell nachhaltig zu nutzen. Dabei wird davon ausgegangen, dass bei Nachtanbruch der Speicher voll ist und am nächsten Tag wieder komplett gefüllt werden kann.
Das klappt bei kleinen Speichern meist auch problemlos.
100% Autarkie heißt jedoch, dass unser Speicher die Versorgungssicherheit ebenfalls zu 100% gewährleisten muss. Auch, wenn sich die Sonne zwei Wochen nicht blicken lässt. Für zwei Wochen allein vom Akku zu leben, sollte wohl eher nicht das Ziel sein und ist auch nicht notwendig. Hier muss die Photovoltaikanlage einen guten Dienst leisten, damit der Eigenverbrauch am Tag gedeckt und der Speicher trotzdem noch ausreichend geladen werden kann.
Nehmen wir an, dass deine Module den entsprechend notwendigen Strom liefern, um einen Großteil des Speichers auch bei Wolken zu laden und den Strombedarf des Tages zu decken. So benötigt es eine Speichergröße mit weniger Autarkie-Tage. Lediglich die langen Nächte während der Wintersonnenwende ist zu decken (+/- 2 Wochen mindestens).
Es wird weiterhin Tage mit extrem dunklen Wolken, Starkregen und Gewitter geben. Heller Schnee ist hier also weniger das Problem.
Wir sollten nun herausfinden, wie viele solcher Tage es überhaupt am Stück gibt. Die Jahreszeit ist dabei relativ unwichtig.
Ein Wetterrekord: Thüringer Wald mit 242 Stunden (ca. 10 Tage) Nebel im Jahr 1996.
Das sind aber seltene und punktuelle Ereignisse. Häufiger hingegen sind 7 Tage am Stück Regen mit dunklen Wolken. So dunkel, dass die PV-Anlage nur wenige Wattstunden zuzammenbringt.
Gibt es nur die Möglichkeit Strom aus der Insel-Photovoltaikanlage zu nutzen, ist hier Kreativität gefragt. Ist der Speicher limitiert, sollte der Stromverbrauch massiv gedrosselt werden.
Da in diesem Beitrag weder ein Benzin-/Dieselgenerator oder Gas zur Verfügung steht, benötigen wir für diesen Fall eine andere Lösung. Dazu weiter unten im Beitrag ein separates Kapitel.
Speichertechnolgie
In allen Bereichen kämpfen wir mit Umwandlungsverlusten. Die Module müssen so viel Leistung bringen, dass der Direktverbrauch bedient und der Überschuss gespeichert werden kann.
Beachten sollte man hier alle Verluste der Anlage selbst! Die Strommenge die rein kommt, ist nicht gleich die, die entnehmbar oder nutzbar ist.
Der erste Verlust ist das Photovoltaikmodul selbst. Teilverschattung und Bypass-Dioden, sowie Verschmutzung kurz genannt.
Weiter geht der Strom über die ersten Kabel zum Laderegler.
Geringe Spannung, hoher Strom, lange und dünne Kabel tragen zu den ersten wesentlichen Verlusten bei.
Der Laderegler stellt den notwendigen Strom den Direktverbrauchern (DC/AC, Wechselrichter) zur Verfügung. Der Wirkungsgrad des Ladereglers ist abhängig von seinem Typ, Regelung und Spannungsunterschieden.
Und auch Wechselrichter haben im Leerlauf einen Eigenverbrauch. Dieser Strom kann für nichts anderes mehr verwendet werden.
Weiter läuft der Strom in die Batterie. Abhängig von der Speichertechnologie, können die Verluste durch Speicherung UND Strombezug erheblich variieren. Für Bleispeicher sei hier die Peukert-Gleichung und Temperaturkoeffizienz genannt.
Abstand sollte man von sogenannten AC-Speichern nehmen. Hier wird der Gleichstrom der Photovoltaikmodule erst in Wechselstrom umgewandelt, um die dann wieder in Gleichstrom für die Batterie zu wandeln. Diese sind zum Glück in Inselanlagen unüblich.
Und dann gibt es noch das große Thema der Systemspannung, die ich in einem separaten Beitrag bereits behandelt habe. Die Systemspannung ist oftmals entscheidend und ein weiterer, dauerhaft hoher Verlustfaktor.
Berechnungsgrundlagen des Speichers und der PV-Module
Bisher gab es kaum Zahlen. Nun wollen wir rechnen und machen eine Annahme. Beispiele sind vor allem für dich ableitbar.
Folgende Szenario:
- täglicher Strombedarf von 2,5 kWh
- Strombedarf tagsüber 70% (6 - 18 Uhr), nachts 30% (18 - 6 Uhr)
Wir haben in der Nacht zwar nur 30% Strombedarf, der einschränkende Faktor ist jedoch die kurze Helligkeit im Winter. Gehen wir von 6 Stunden Helligkeit aus, muss in dieser Zeit der Speicher gefüllt und der Strombedarf gedeckt werden.
PV-Leistung berechnen
2,5 kWh : 6 Stunden = 417 W PV-Leistung
Die fälschliche Annahme wäre nun, dass in diesen 6 Stunden voller Sonnenschein ist. Gehen wir von trüben Tagen aus, bringt die PV-Anlage nur 10% - 30% ihrer Leistung. Rechnen wir mit dem Mittelwert von 20%, denn das ist im Winter oft üblich, sio ist das Ergebnis ein ganz anderes. Denn wir brauchen die 5-fache Leistung
417 Wp x 5 = 2085 Wp
Eine rund 2 kWp Anlage für lediglich 2,5 kWh Strombedarf pro Tag zeigt die Schwierigkeit und hinterfragt die Sinnhaftigkeit. Im Sommer bei 12 Sonnenstunden können (12x2kWp) über 24kWh pro Tag erzeugt werden. Das ist das knapp 10-fache des tgl. Strombedarfs und steht durch die geschlossene Inselanlage keinem zur Verfügung. Die Leistung der PV-Module wird im Sommer daher nur minimal ausgenutzt. Dazu ganz unten im Fazit mehr.
Speicher berechnen
Gehen wir davon aus solch eine überdimensionierte Anlage gebaut zu haben, kann der Speicher sehr klein ausfallen.
24h - 6h = 18h
18 Stunden müssen aus dem Speicher gedeckt werden.
2,5kWh : 24h x 18h = 1,875 kWh Speicherkapazität
Es wird hierbei ein Speicher benötigt, der mindestens 1,875 kWh netto Kapazität aufweist.
Nehmen wir die nächst übliche Speichergröße von 2,4kWh (brutto), sollten wir überwiegend ganzjährig den Strombedarf decken können.
Das ist nur die halbe Wahrheit
Wie weiter oben erwähnt, gibt es richtig graue Tage, die im Winter oft auch zusammenhängend sind. Um hier eine 100% Versorgung zu gewährleisten, muss die Anlage mindestens drei mal so groß sein. Also rund 6kWp. Das bringt uns sogleich auch zu einem Fazit und Abschluss des Artikels.
Fazit: 100% notwendig oder Wunschdenken?
Der tägliche Strombedarf von 2,5kWh wie im Beispiel kommt nicht irgendwoher, sondern dies ist mein Tagesverbrauch. Dazu habe ich eine 2,5kWp Anlage + 7kWh LiFePo4 Speicher gebaut. Meine Annahme war, 80-90% meines Verbrauchs decken zu können. Das klappt auch gut. An vielen Wintertagen reicht die Anlage jedoch nicht, da der Speicher nicht mehrere Tage abdecken kann und oft nur gering nachgeladen wird. Das reicht nur für Kühlschrank und etwas Licht. Im extrem schlechten Jahr 2021 ging ab Ende November fast nichts mehr. Es konnten nur Kleinverbraucher gedeckt werden. Dies zeigt, dass es jedes Jahr auch extreme Schwankungen geben kann. Berücksichtige das bei deiner Kalkulation.Die Schwierigkeit besteht in den letzten Prozenten, die ein Vielfaches an weiteren Zubau benötigen würde. Das Pareto-Prinzip war genau deswegen der Einstieg in diesen Artikel.
Hier sollte man die Notwendigkeit hinterfragen.
Inselanlagen sind ein geschlossenes System und der viele Strom im Sommer, steht nicht für die Energiewende zur Verfügung. Eine Inselanlage sollte also nur dann gebaut werden, wenn das öffentliche Netz nicht genutzt werden kann. Hier sei Garage und Gartenhütte genannt. Das ganze Wohnhaus damit auszubauen, ist in meinen Augen sehr egoistisch. Meist aus Frust durch die behördlichen Auflagen, Gesetze, dem Netzbetreiber, Vermieter oder eine generelle Scheu der Selbständigkeit als Stromverkäufer.
Das darf jeder gern selbst für sich entscheiden und ein gesundes Maß finden. Die Inselanlage an sich hat ganz klar ihre Grenzen. Und die liegen oft nicht am Budget oder dem Limit der Baufläche. Für den Sommer kann man sich jedoch überlegen, wie man den Strom sinnvoll verschenken kann. Dazu wird es noch einen separaten Beitrag geben.